Am kommenden Donnerstag wird man sehen, dass man die eine und den anderen weder sieht noch
hört. Die Stadtverordnetenversammlung tagt zum elften Mal in dieser Wahlperiode und debattiert
unter anderem über die Testphase des Rats-TV und ob dieses fortgeführt werden soll. Mit dabei sind
auch gewählte Mandatsträger, die ihre Redebeiträge nicht für alle öffentlich sicht- und hörbar ma-
chen wollen. Und hier wedelt schon der Schwanz mit dem Hund …
Was ist ein Mandat?
Das Amt eines Stadtverordneten ist nicht vergleichbar mit einer Mitgliedschaft im örtlichen Kanin-
chenzucht-Verein oder bei den Karnevalsfreunden Köln-Kalk. Es handelt sich vielmehr um eines
der höchsten politischen Ämter in einer Kommune und geht mit einer Reihe an Rechten einher, die
kein anderer Bürger genießt. Neben dem Recht auf Freistellung durch den Arbeitgeber und – teils
üppige – Aufwandsentschädigungen ist ein Ratsmitglied nicht an Aufträge oder Weisungen gebun-
den, sondern übt sein Mandat frei aus, gedeckt durch die Gemeindeordnung.
Die Entscheidungen des Rates – und damit des einzelnen Mitgliedes – sind weitreichend: entschie-
den wird über Projekte, die mehrere Millionen Euro kosten, mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte
andauern, und die mit Steuergeldern der Bürger finanziert werden. Auch die oben genannten Ent-
schädigungen – auch als Sitzungsgeld bekannt – werden vom Steuerzahler getragen.
In einer repräsentativen Demokratie vertritt der Stadtverordnete die Bürger seiner Stadt und dessen
Interessen, er entscheidet im Namen der Bürger und ist somit Volksvertreter. Die 56 Mitglieder des
Rates der Stadt Minden vertreten demnach 84 000 Bürger, somit sitzt jeder als Stellvertreter für
1500 Bürger im Rat und entscheidet für eben diese 1500 Bürger – und wird von diesen dafür „be-
zahlt“.
Mit diesem Rechten gehen Pflichten einher: die oberste Pflicht der Politik ist die Kontrolle der Ver-
waltung. Die Mitglieder des Rates kontrollieren somit stellvertretend für die Bürger, dass die Ver-
waltung ihre Aufgaben korrekt ausführt.
Wozu nun Rats-TV?
Wenn man nun bedenkt, welche Verantwortung die Damen und Herren im Rat tragen, kommt man
am Rats-TV nicht vorbei. Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, was ihre Vertreter denken und äußern. Wer sich in ein solches Amt wählen lässt, dem sollte bewusst sein, dass damit auch eine
Pflicht gegenüber den Bürgern verbunden ist: von Menschen, die einen politisch vertreten, kann
man ein Mindestmaß an Transparenz und Offenheit erwarten. Volksvertreter bedeutet, dass man das
Volk vertritt und nicht, dass man sich am Volk vertritt!
Da diese Vertretung eben auch langfristig Konsequenzen hat, – meistens, wenn die Beteiligten schon
lange nicht mehr im Amt sind – ist eine langfristige Speicherung von übertragenen Sitzungen die lo-
gische Schlussfolgerung. Wofür nimmt man Ratssitzungen auf, wenn diese nur eine Woche zugäng-
lich sind? Als Bürger habe ich ein Recht, zu sehen wer wann warum wofür gestimmt hat. Wenn eine
Förderung platzt oder ein Millionenprojekt teurer wird als erwartet, möchte ich genau nachvollzie-
hen können, wer wann wo die Verwaltung nicht richtig kontrolliert hat.
Besonders bemerkenswert – im doppelten Sinn – ist das häufig vorgebrachte Argument, dass die
Übertragung und Aufnahme im Rats-TV mit Persönlichkeitsrechten kollidieren würde. Bei Annah-
me eines Mandates sollte man sich seiner Rechte und Pflichten bewusst sein und, dass man damit
auch eine öffentliche Person ist. Wenn jemand also ein solches Amt anstrebt, sich dann jedoch in
Ausübung seines Mandates auf seine Persönlichkeitsrechte beruft, kann es logischerweise nur einen
Weg geben: sofortigen Rücktritt!
Wenn man Stadtverordneter ist, muss man dies konsequent sein – man ist nicht das Volk, man ver-
tritt es. Wer damit ein Problem hat, gehört nicht in einen Stadtrat.
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